„Eine mächtige Kraft, so gleich kommt 150 Pferden“
Wasserkraft und unbekanntes Junghans-Denkmal im Lauterbachtal

Ein ungewöhnliches Denkmal im Lauterbachtal und seine Geschichte beschäftigt NRWZ-Mitarbeiter David Kuhner: Ein Bronzemedaillon, eingelassen in einen Felsblock, zeigt das Porträt im Profil von Arthur Junghans. Erst jüngst war dieser besondere Schramberger wieder einmal als Figur eines Musicals im Auto- und Uhrenmuseum zu erleben. Junghans, der Sohn des Firmengründers war der geniale Techniker und Tüftler der zweiten Generation. Wie kommt das Denkmal an diese Stelle? Und weshalb hatte das Lauterbachtal eine solche Bedeutung für die Firma Junghans?
Schrambergs Entwicklung ist untrennbar mit der Uhrenindustrie und der Firma Junghans verbunden. Gegründet von Erhard Junghans (1823-1870), ging die Firma nach seinem frühen Tod an seine Witwe Luise Junghans-Tobler (1821-1910) und 1875 an die beiden Söhne Erhard den Jüngeren (1849-1923) und Arthur (1852-1920) über.
Nach dem Firmenaustritt des älteren Bruders 1897 lenkte Arthur die Geschicke als „Schramberger Uhrenbaron“ alleine. Nach seinem Tod im Jahr 1920 stifteten seine Mitarbeiter im Lauterbachtal, wo die Entwicklung der Firma ihren Anfang nahm, ein Denkmal zu seinen Ehren.
Wasser als Treibstoff
Tosend fließen die Wassermassen des Lauterbachs seit Urzeiten ins Schramberger Tal. Die Menschen des Töshofs machten sich das Nass seit jeher zu Nutze, um ihre Felder zu bewässern und um damit Mühlen zu betreiben. Im sogenannten Steffensloch – dem nördlichen Abhang des Lauterbachs – führte ein Graben als Wasserzuleitung zu den kleinen Mühlen am unteren Ende des Abhangs und bewässerte gleichzeitig die Wiesen.

Die Mühlen entstanden bald nach 1835 durch Graf Cajetan von Bissingen und Nippenburg (1806-1890), der sie verpachtete. So betrieben unter anderem der Stricker Lorenz Haas (1773-1851) mit Consorten eine Walkmühle und der Kaufmann Ferdinand Wolber (1776-1836) eine Knochenmühle.
Das Steffensloch
Das Steffensloch (im Urbar Stephans Lehen), das seinen Namen wohl auf den Engener Obervogt Stephan Sattler, einen Verbündeten Lehensmann von Rochus Merz von Staffelfelden (gestorben 1563) zurückführen kann, galt als „Erbbestand“. Das bedeutet, dass es nur ungeteilt weitergegeben werden durfte, was Kaufbucheinträge bezeugen.
Bevor Erhard Junghans und sein Schwager Jakob Christoph Zeller-Tobler (1814-1884) im Jahr 1859 in den Besitz des Grundstücks kamen, besaßen es Xaver Merkle, Anton Maurer (1778-1853), Ignaz Kopp (1759-1830) und Joseph Moosmann (1821-1863).
Pachtverträge gekündigt
Junghans setzte sich 1864 dafür ein, dass die Pacht der bestehenden Mühlen nicht verlängert wurde. Er wollte nämlich das Wasser künftig allein für sein Gewerbe nutzen. Den bestehenden Wassergraben leitete er bis in eine auf Flurstück 1907 installierte Turbine weiter, um durch ein 30 Meter Gefälle damit Energie zu gewinnen. An dieser Stelle stand das erste Fabrikgebäude Nr. 431.
Das Flurstück 1952 (Steffensloch) entlang des Lauterbachs gehört inzwischen der Firma Eurowatt in Deggendorf, wie man von der Stadtverwaltung erfahren kann. Eurowatt ist ein Tochterunternehmen der Auer Holding, der der Junghans Gewerbepark in weiten Teilen gehört.
In der Hauschronik von Arthur Junghans aus dem Jahr 1887 heißt es in einer künstlich altertümlichen Sprache zur Wasserleitung und Turbine:
„Wie es da laufet und schnurret, mit vielen Maschinen, großen und kleinen, automatischen und andern ‐ Du magest wohl über 550 zählen, davon sind über 100 von Herrn Arthur Junghans selbst gemacht und wurden solche betrieben und in Gang gesetzt durch eine mühsam und kostbar angelegte Wasserleitung, ist 475 Meter lang und 40 cm weit, hat ein Gefäll von 51 Meter und fünf einhalb Atmosphären gibt zusammen eine mächtige Kraft, so gleich kommt 150 Pferden und ist zudem noch aufgestellet und fürsorglich angelegt eine Dampfmaschin, hat 30 Pferdekräft.“
Junghans-Nachfahre Thomas Poller, der gerade an seinem Buch „Erhard Junghans 1823 – 1870. Schramberger Unternehmer“ arbeitet, sieht darin einen cleveren Grundstückskauf. Wasserläufe hätte Erhard zwar auch im Göttelbachtal oder Kirnbachtal nutzen können. Allerdings erreichte er durch die Fallhöhe in der Geißhalde einen höheren Wirkungsgrad.

Mitarbeiter stifteten Denkmal
In Erinnerung an ihren 1920 verstorbenen Firmenchef stifteten die Mitarbeiter der Uhrenfabrik ein Bronzerelief des Bildhauers Eduard Rettenmaier (1864–1923). Es zeigt Arthur Junghans und ist von hoher künstlerischer Qualität. Es befindet sich an einem archaischen Ort des Jahrtausende alten Lauterbachtals auf einem Felsen aus weißem Granit. Der Dank seiner Mitarbeiter ist im wahrsten Sinn des Wortes „in Stein gemeißelt“.
Das Denkmal verbindet hohe Bildhauerkunst und Andenken auf Urgestein für den bekannten und naturverbundenen Ingenieur. Entwicklungsperspektivisch hätte es keinen besseren Standort geben können. Denn genau hier hatte die Erfolgsgeschichte der zwischenzeitlich größten Uhrenfabrik der Welt ihren Ursprung genommen. Unmittelbar neben dem Denkmal führen noch heute die Wasserrohre zum ehemaligen Firmengelände und treiben dort einen Stromgenerator.
Die Inschrift des Denkmals lautet: „Arthur Junghans Dr. ing. h. c. Gewidmet von seinen Mitarbeitern 1922“
Im Jahr 2024 hatte ein Sturm den Wanderweg beim Denkmal stark beschädigt. Diesen Schaden hat der Schramberger Bauhof inzwischen wieder behoben. Das seit Jahren zugewachsene und bemooste Denkmal hat Thomas Poller jüngst wieder freigelegt, gereinigt, und die Schrift restauriert. Poller ist ein Ururenkel von Arthur Junghans und selbst ein Multitalent: Restaurator, Kunsthistoriker, Manager in einem internationalen Konzern. Arthur würde das gefallen.
